Arbeitsreise im Mai 2024
Am 05. Mai 2024 starteten der Klimaschutzmanager der Stadt Rastatt Martin Schursch und Uschi Böss-Walter für die Rastatter NaturFreunde und für das Klimabündnis in den Globalen Süden genauer in die senegalesische Klimapartnerstadt Saint-Louis im Senegal.
Seit dem Gemeinderatsbeschluss 2019 kommt die kommunale Klimapartnerschaft zwischen Rastatt und Saint-Louis in Senegal mittlerweile richtig in Fahrt und die Arbeit läuft auf Hochtouren. Klimaschutz und Klimaanpassung sind die wichtigen Themen.
Das erste große Projekt „Einsatz erneuerbarer Energie-Quellen in Saint-Louis“ läuft bereits 2024 aus. Das zweite große Projekt zur Innenstadtbegrünung startet gerade. Der Abschluss des einen und der Neubeginn des anderen waren Anlass des jüngsten Arbeitstreffens in Saint-Louis im Senegal.
„Wir fühlen uns bereits als internationales Team, das sich dem Kampf gegen die Klimakrise und für die nachhaltige Gestaltung einer gemeinsamen Zukunft verschrieben hat“, so die einhellige Einschätzung der beteiligten Akteur:innen auf beiden Seiten.
Die Auswertung des durch das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) für das Jahre 2021-2024 geförderten Projekts zum Einsatz erneuerbaren Energien in der Klimapartnerstadt stand als erstes auf der Tagesordnung.
Einsatz erneuerbarer Energie in Saint-Louis
Die ersten Tage waren der Zusammenarbeit zwischen den Stadtverwaltungen von Saint-Louis und Rastatt sowie deren Zivilgesellschaften gewidmet.
Die Stimmung im Rathaus war gut und konstruktiv. In der Stadt herrschte wie immer ein buntes Treiben und es fielen uns u.a. die Straßenreinigungstrupps auf. Wir spürten in allen Begegnungen und den gemeinsamen Auswertungsgesprächen, dass das Vertrauen in die Zusammenarbeit wächst. So konnten wir bei der Begutachtung der beiden PV-Anlagen (60 kwp) sowie den 25 PV-gestützten LED-Straßenleuchten z.B. offen über aufgetretene Probleme sprechen und wir erfuhren, wie vor Ort Lösungen gefunden wurden. Dabei wurde natürlich auch Fach- und Spezialwissen ausgetauscht. So bot der Klimaschutzmanager der Stadt Rastatt auch seine Kompetenz als Energieberater an. Überrascht waren wir, dass in der Stadtverwaltung von Saint-Louis nur 200 Angestellte arbeiten. Sie schaffen Bemerkenswertes in einer Stadt, die 240.000 Einwohner:innen zählt!
Die Probleme mit der kontinuierlichen Stromversorgung lassen sich über den Einsatz der PV-Anlagen nach und nach lösen, ein Techniker überwacht noch beständig die Anlagen und die Speicher. Es stellte sich allerdings heraus, dass das alte Leitungssystem mittelfristig erneuert werden müsste.
Aber dennoch: Die kommunale Klimapartnerschaft zwischen Rastatt und Saint-Louis zeigt ganz konkreten Erfolge. Der Beschluss im Rastatter Gemeinderat vor ein paar Jahren war richtig und machte überhaupt erst eine finanzielle Projektförderung durch das BMZ möglich. Alle wissen, dass Menschen ob in Saint-Louis oder Rastatt die Folgen der Klimakrise bei sich vor der Haustüre erleben. Deshalb ist die kommunale Ebene der richtige Ort, über konkreten Klimaschutz und notwendige Klimaanpassungsmaßnahmen zu entscheiden. Glückwunsch also für die gelungene Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene, die guten Ergebnisse sind nicht mehr zu übersehen. Die Rastatter Beziehungen zum Ministerium verhalfen der Kommune Saint-Louis zu mehr Klimaschutz und konkret zu enormen Einsparungen im Bereich der Stromversorgung. Die Ausgaben für Strom z.B. haben sich erheblich reduziert. Das Rathaus strebt Autonomie vom Anbieter Senelec an.
Auch die Frauen in der Hydrobase, wo sie Fische verarbeiten, können ohne Gefahr bis in den späten Abend hinein auf ihrem Gelände ihrer Arbeit nachgehen und haben anschließend einen sicheren, weil beleuchteten Heimweg.
Innenstadtbegrünung von Saint-Louis
Die Stadt Saint-Louis verfolgt wie wir seit dem letzten Sommer wissen ein ambitioniertes Ziel: Sie möchte die grünste Stadt zumindest im Senegal, wenn nicht gar von ganz Westafrika werden! Ein Pilotprojekt. Die Klimapartnerschaft mit Rastatt wird nun durch eine Bundesförderung u.a. über 5.000 Bäume bis 2026 beisteuern.
Dieses 2. Projekt der Klimapartnerschaft wird das Mikroklima in der Stadt erheblich verbessern. Aus unserer Sicht sind das außergewöhnlich wirksame Beiträge zur Klimaanpassung und sicher auch zur Klimagerechtigkeit.
Bei unserem Aufenthalt in Saint-Louis sahen wir wie man trotz Trockenheit und Versandung grüne blühende Inseln schaffen kann. Ein uralter kaum beachteter Park am Gouverneurssitz mitten in der sonst wenig grünen Stadt wurde mangels Alternativen kurzer Hand die Baumschule für unser neues 3-Jahres-Projekt „Innenstadtbegrünung“. Die Grüne Brigade, eine neue speziell für dieses Projekt geschaffene Arbeitsgruppe, steht in den Startlöchern. Sie besteht aus 15 jungen Leuten, die nun eine Ausbildung und einen festen Arbeitsplatz erhalten.
NaturFreunde pflanzten über 100.000 junge Mangroven
Das für uns vorbereitete Arbeitsprogramm bot die Möglichkeit, auch die NaturFreunde-Projekte zu besuchen.
- Die Mangrovenaufforstungen und Umweltzentrum in Saint-Louis
- Das Ausbildungszentrum für Mädchen in Bekhar
Da Mangroven-Ökosysteme bei weitem eine der effektivsten Maßnahmen im Kampf gegen die Klimakrise sind, hat ASAN, die senegalesische Naturfreunde-Organisation, an vielen Orten des Landes mit der Wiederherstellung von Mangrovenwäldern durch Neu-Anpflanzung begonnen. Die deutschen NaturFreunde, insbesondere die aus Rastatt, haben ihre Partnerorganisation dabei durch Spenden, Kampagnen und Förderanträgen beim BMZ unterstützt. Dadurch konnten bis heute über 100.000 junge Mangroven gepflanzt werden. Die Arbeitstour nach Saint-Louis ermöglichte uns, ins Aufforstungsgebiet zu fahren und die Arbeit in den Blick zu nehmen.
Mit dem Boot, Auto und zu Fuß waren wir unterwegs in die Mangrovenaufforstungen. Überall wurden wir von den freiwilligen Akteur:innen vor Ort begleitet. Es war bereits unser 2. Besuch, so dass wir heute von einem Erfolgsprojekt gegen die Klimakrise sprechen können. Jede Mangrovenpflanze trägt so enorm viel zur Reduktion von CO2 bei. Diese Arbeit vor Ort nützt auch uns in Rastatt, in Baden-Württemberg und wo auch immer auf der Welt. Die Finanzierung läuft Mitte 2024 aus. Die deutschen NaturFreunde wollen weiter mit „finanziellen Beiträgen gegen die Klimakrise“ die Aktiven vor Ort unterstützen. Denn diese sind fest entschlossen, den Weg der Aufforstung und Pflege weiterzugehen.
Neu hingegen ist für uns das jetzt fertiggestellte Umweltzentrum, das unter der Leitung des Mangrovenspezialisten Mamadou Mbaye und einer örtlichen Frauenkooperative im letzten Jahr gebaut wurde. Das besondere ist, dass alles daran selbst hergestellt wurde. Die Ziegel wurden aus Lehm und dem invasiven Typha (langblättriger Rohrkolben) hergestellt und damit mehrere „Fliegen mit einer Klappe“ geschlagen. Denn Typha verdrängt schnell wachsend die Mangroven, was verheerende Folgen hat. Es zerstört nachhaltig das Ökosystem des Mangrovenwaldes. Also experimentierte Mbaye mit dem Material. Mittlerweile unterrichtet er im Umweltzentrum wie man damit ökologisch Bauen kann. In Saint-Louis wird mit damit gerade eine Grundschule gebaut. Die Frauenkooperative produziert alles Mögliche aus Typha: Ziegel, Biokohle, sogar Seifen, Haaröl, Trinkhalme und vieles mehr. Die Frauen berichteten ausführlich über ihre Arbeit. Was ihnen gerade fehlt, wären die finanziellen Mittel für die Vermarktung ihrer Produkte, sagen sie.
Schließlich besuchten wir das Umwelt- und Ausbildungszentrum für junge Frauen in Bekhar (Landkreis Saint-Louis), das bereits seit 6 Jahren erfolgreich in verschiedenen Berufen ausbildet. Ein großes Hinweisschild an der Hauptstraße wies uns bereits den Weg. Herzlich begrüßt ließen wir uns durch die Räume führen. Die Direktorin Peinda Faye erklärte uns die Ausbildungsberufe, die jungen Frauen zeigten uns derweil einige ihrer Arbeiten, z.B. in der Schneiderei und Gastronomie. Die Mädchen der Abschlussklassen erhielten Bewerbungstraining und Unterricht in Marketing und Selbstvermarktung.
Seit wir das letzte Mal zu Besuch waren, hat sich vieles verbessert, dazu zählt auch die Verschattung im Innenhof durch Obstbaumpflanzungen. Auch versorgt heute ein kleiner Kiosk die Mädchen mit Pausenverpflegung.
Auch in dieser Einrichtung, die durch eine Bundesförderung und einem großen Spendenaufkommen der NaturFreunde entstanden ist, wird ein neues Projekt geplant. Es sieht Gemüseanbau in Hochbeeten vor sowie Obstbaumpflanzungen in den Wohnorten der Schülerinnen.
Mittlerweile gibt es neben der Zusammenarbeit mit den deutschen NaturFreunden auch eine enge Vernetzung mit Plan international. Diese schicken zusätzlich ca. 70 Mädchenzur Ausbildung ins Zentrum. Der Bekanntheitsgrad, so betonte Faye, sei sehr gewachsen und der Ruf der Einrichtung in der gesamten Region ein sehr guter. Außerdem arbeiten die zuständigen Ministerien gerne mit Faye und ihrem Team zusammen.
Wir verlassen diesen Ort mit einem guten Gefühl. Auch hier wird für alle Beteiligten ein internationaler Teamgeist spürbar!
Besuch beim Jugendgemeinderat der Stadt Saint-Louis
Nicht unerwähnt soll unser Besuch beim Jugendgemeinderat bleiben. Kinder- und Jugendbeteiligung ist im Senegal eine Selbstverständlichkeit. Am Ende dieser Begegnung vereinbarten wir, uns in Fragen des Rechts auf Zukunft und Klimaschutzes besser auszutauschen.
Ein herzlicher Abschied stand bevor und wir beendeten nach einer ausführlichen Auswertung die Arbeitswoche in unserer Klimapartnerstadt Saint-Louis.
Und was haben wir davon?
Der Ersatz von Strom aus fossilen Energien durch Solarstrom senkt den globalen CO2-Ausstoß. Das Pflanzen von Bäumen und vor allem von Mangroven holt CO2 aus der Atmosphäre und bindet es. Die Investitionen zur Verringerung oder Bindung einer Tonne Treibhausgas sind im Globalen Süden sehr viel geringer als bei uns. Mit dem gleichen Betrag kann also sehr viel mehr erreicht werden.
Die Verbesserung der beruflichen Perspektiven für Menschen im Senegal leistet einen Beitrag zur Bekämpfung von Fluchtursachen. Im Ergebnis profitieren also beide Seiten von unseren Projekten.
Rastatt, den 21.05.2024
Uschi Böss-Walter
Landesvorstand NaturFreunde Baden
Fachbereich GLOBAL